„Wind und Wasser“ – die korrekte Übersetzung von Feng Shui verrät schon, dass es bei der fast 2000 Jahre alten chinesischen Harmonielehre um den Fluss der Dinge geht. Die Gestaltung von Farben, Flächen und Fluchten sind der Teil, der für Maler am interessantesten ist, denn hier können schon kleine Nuancen viel für das menschliche Wohlbefinden bewirken. Dabei ist das Fließen, das so genannte Qi (sprich: „tchi“), weder ein wissenschaftlicher noch ein esoterischer Begriff, sondern eine Vorstellung von Lebensenergie. Und die kann man ganz real unterstützen.
Jochen Binder ist Feng-Shui-Experte bei Heidecke
Jochen Binder, Teamleiter bei Heidecke, hat eine Feng-Shui-Ausbildung abgeschlossen und nutzt die Erkenntnisse praktisch täglich. „Wenn man sich näher auf die Lehre einlässt, dann verschwinden nach und nach die typisch westlichen Vorbehalte. Man kennt ja die Storys von Hochhäusern in Hongkong, in die ein Loch gebaut ist, damit die Drachen vom Berg zum Meer fliegen können. Aber wenn wir da stehenbleiben, stecken wir Feng Shui automatisch in die Schublade des Aberglaubens. In der täglichen Praxis habe ich beobachtet, dass wir Deutschen selbst gar nicht besser sind. Wir glauben zum Beispiel, dass alle Wände in jedem Raum weiß sein müssen.“
Dieses Leben an einer lebensechten Farbgestaltung vorbei mache vielen Menschen den Alltag unnötig schwer. „Nehmen wir zum Beispiel die Arbeitswelt: Fast alle Büros, die ich sehe, sind in Weiß und Grau eingerichtet. Das mag sauber und hell aussehen, aber in solchen Räumen ist wenig Raum für Kreativität, Entschlusskraft und gute Laune. Ein helles Gelb oder Blau kann sehr anregend wirken und das Licht sogar noch besser wirken lassen.“ Feng Shui setze dort an, wo unsere unbewusste Wahrnehmung hinsteuert. „Das Qi, also die Energie, fließt dorthin, wo die Aufmerksamkeit hingeht“, so Binder.
Feng Shui: Raum und Mensch entscheiden die Farbgebung
In China kennt man traditionell fünf Elemente: Erde, Holz, Wasser, Metall und Feuer. Diesen können Farben zugeordnet werden. Die Farben unterteilen sich zusätzlich in Yin (weich, passiv) und Yang (aktiv, dominant). So ist Rot eine sehr dominante Farbe, die mit Glück und Liebe in Verbindung gebracht wird, aber zurückhaltende Menschen verunsichern kann. Grün und Braun dagegen sind als Yin-Farben eher harmonisierend und beruhigend. Ein Übermaß kann allerdings lähmen. Feng Shui unterstützt bei der Farbwahl.
„Letztlich geht es darum, wie ein Raum genutzt wird“, fasst Binder zusammen, „für Vorstellungsgespräche ist Weiß mit Grau durchaus eine gute Kombination. In der Marketing-Abteilung sollte man ruhig einmal Mut haben, eine Wand in einer kräftigen Farbe zu streichen, etwa Violett. Kantinen oder Lounges können mit Orange oder Türkis gestaltet werden.“ Auch in Wohnungen sei viel Potenzial: „Oft komme ich zu Kunden in die Wohnung, die sich nichts anderes vorstellen können als weiße Wände. Dabei fördert eine Farbe wie Beige die Entspannung und passt – vielleicht in Kombination mit Naturholzmöbeln – ganz hervorragend in ein Schlafzimmer. Bad und Küche strahlen in hellem Blau gleich viel freundlicher, vor allem bei geringem Lichteinfall.“
Unternehmen denken in Richtung Feng Shui um
Das Geheimnis liege in der richtigen Dosierung. „Ich rede mit Menschen, die sich sehr viele Gedanken zu ihrer Wohnung machen. Sie soll ja auch auf Gäste wirken. Viele entscheiden sich gerade deshalb für wenige, meist unbunte Farben. Das soll den Status unterstreichen oder Unsicherheiten im eigenen Geschmack kaschieren. Dabei geht es gar nicht darum, ganze Räume knallig auszumalen, sondern vor allem das eigene Wohlbefinden zu unterstreichen“, so Binder. „Oft reichen schon dezent eingesetzte Einzelakzente.“
Schulen haben schon vermehrt Farbkonzepte umgesetzt, die Schülern eine bessere Atmosphäre bieten, Leistung unterstützen und Stress mindern. Auch in Unternehmen wird das Thema immer aktueller. „Es ist ja auch logisch“, sagt Binder, „wenn es funktioniert, wäre mir doch auch egal, aus welcher spirituellen Schule ein ästhetisches Konzept stammt. Feng Shui kann auf Mitarbeiter anregend, beruhigend oder harmonisierend wirken. Wenn also in Unternehmen eine leistungsfreundliche Atmosphäre geschaffen werden kann, ist dies für das Betriebsklima und letztlich auch für die Bilanz ein wichtiger Aspekt.“